Wie Teilen funktioniert
Airbnb, Uber oder Music-Downloads – das Konzept des „Teilens“ als soziale Praxis scheint durch die sogenannte „sharing economy“ allgegenwärtig. Prof. Thomas Widlok vom Institut für Afrikanistik der Universität zu Köln hat sich dem Thema aus ethnologisch-vergleichender Perspektive genähert.
Herr Widlok, einer Ihrer Forschungsschwerpunkte sind Jäger- und Sammler-Gesellschaften im südlichen Afrika. Was hat die Elefantenjagd mit Airbnb gemeinsam?
Airbnb wurde vor einigen Jahren aus einer Situation heraus gegründet, in der die Angebote des Marktes für Unterkünfte unzureichend waren. Seit Jahrtausenden teilen Jäger und Sammler die Beute einer Elefantenjagd, und viele andere Dinge, weil diese Form des Transfers sich als effektiver, sozial verträglicher und risikomindernder erwies als das Fleisch mit dem Ziel zu horten, es zu verkaufen. Heute sind Airbnb und die Elefantenjagd kommerzialisierter als zuvor. Aber weitere Beispiele wie etwa Couchsurfing zeigen, dass nachwievor alternative Formen, anderen Unterkunft zu gewähren oder den Zugang zu Nahrungsmitteln und anderen Gütern zu ermöglichen existieren - auch noch bei heutigen Jäger und Sammler Gesellschaften und ihren Nachfahren.
Welche soziopolitischen Herausforderungen der Gegenwart spricht Ihre Studie an?
Nach Angaben des statistischen Bundesamtes lebt nur eine Minderheit der Deutschen vom direkten Verkauf ihrer Arbeitskraft, nur etwa 40 Prozent. Alle anderen bestreiten ihren Lebensunterhalt durch andere Formen des Transfers, vom Staat, von Familie und Verwandten, durch Erbschaften oder Teilhaberschaften usw. Im Globalen Süden hat der größte Teil der Bevölkerung keinerlei Aussicht darauf, durch reguläre Lohnarbeit oder durch Erhöhung der Produktion ihre Familien zu ernähren. Es geht also letztlich darum, das Teilen und das Verteilen als Alternativen zum Tauschen oder Verkaufen, als einen wichtigen Teil unseres Wirtschaftens zu verstehen und es dort zu stärken, wo es Sinn macht.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Teilen zwischen Menschen funktioniert?
Wenn die räumliche Undurchlässigkeit zunimmt, beispielsweise durch “Gated Communities”, dann wird das Teilen erschwert, und genauso verhält es sich mit allem, was soziale Undurchlässigkeit schafft, etwa feste Mitgliedschaften oder Bedürftigkeitsprüfungen. Umgekehrt floriert das Teilen, sobald kulturell akzeptiert wird, dass die Initiative in erster Linie bei den Nehmenden liegt, nicht bei den Gebenden, wenn also Teilen auf Verlangen praktiziert wird oder man es einfach zulässt, dass andere beispielsweise Infrastruktur wie etwa Hotspots im öffentlichen Raum nutzen oder eine Teilhabe an den Rohstoffen ihres Landes erwarten. Es lohnt sich auch genau zu betrachten, wie das Verhältnis von Teilen und anderen Transferformen unter sich wandelnden Bedingungen von Menschen gestaltet wird. Es geht auch im Globalen Süden ja nicht darum, den Markttausch zu ersetzen, sondern darum, das ganze Spektrum von Transferformen zu nutzen.
Zum Weiterlesen:
Thomas Widlok, Anthropology and the Economy of Sharing, Routledge 2017.