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#gefaelligeWissenschaft

Anpassung der kritischen Wissenschaft? Kritik der angepassten Wissenschaft!

27.-28. Juni 2019

Wissenschaft hat immer Einfluss auf politisches Geschehen genommen. Ihr potentieller Beitrag hängt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab und ist dabei mannigfaltig. Wissenschaft kann sich staatstragend positionieren, Herrschaftsverhältnisse legitimieren, den ideologischen Rahmen für partialgesellschaftliche Interessen liefern oder Kritik an herrschenden Zuständen formulieren. Die Wege politischer Einmischung und des Wirkens auf öffentliche Debatten haben sich durch die zunehmende Digitalisierung von Kommunikation verändert. Kurze Tweets, schnelle Retweets und Likes, Kommentarspalten von Online-Medien, zügig geschriebene Kurznachrichten und Mails ermöglichen eine nahezu unmittelbare Reaktion auf Ereignisse. Das Außerordentliche nimmt dadurch zu – und ist damit längst zur Banalität geronnen.

Die Lautstärke der Äußerungen lenkt ab und lässt das, was wirklich gesagt wird, überhören. Im Brustton der Überzeugung vorgetragene Positionen bieten den Anschein von Sicherheit in einem schier unübersichtlichen Diskursraum. Eine rationale Streitkultur scheint abhandengekommen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist eine stärkere Bereitschaft zu öffentlicher Stellungnahme in den Geisteswissenschaften wichtig, um soziale, kulturelle und politische Prozesse kritisch zu reflektieren. Doch kritische Stimmen, die auch außerhalb der Wissenschaft in die Öffentlichkeit dringen, sind rar.

Die Ursachen für das öffentliche Verstummen liegen einerseits im aktuellen Wissenschaftsbetrieb selbst begründet. Die Prekarität akademischer Laufbahnen erzeugt Ängste, durch unbotmäßige Äußerungen seine Chancen auf Forschungsförderung oder einen der wenigen sicheren Arbeitsplätze in der Wissenschaft noch weiter zu verringern. Forschungsprojekte sind mittlerweile fast gänzlich abhängig von der Förderung durch Drittmittel und Forschungsergebnisse werden vor allem anhand ihrer unmittelbaren Verwertbarkeit gemessen und bewertet.

Andererseits werden wissenschaftliche Einmischung und Engagement in politisch positionierenden Projekten durch zunehmend unverhüllte Bedrohung und Korrumpierung verhindert. Die Skepsis einer rapide wachsenden rechtspopulistischen Strömung erstreckt sich mittlerweile nicht nur auf die sogenannte "Lügenpresse", sondern auch auf Expertenmeinungen und jedwede Form von Intellektualität. Die Anpassung an anschlussfähige Mehrheitsmeinungen ist nicht nur unter Politiker*innen, sondern auch unter Wissenschaftler*innen zu beobachten. Das Vertrauen in die Wissenschaft scheint zutiefst erschüttert – womöglich auch wegen ihrer teilweisen Komplizenschaft mit den Mächtigen, zu deren Machterhalt und -zuwachs sie maßgeblich beiträgt, während sie sich für eine Kritik der Missstände des Kapitalismus nicht zuständig sieht.

In der Veranstaltungsreihe (Universität Hamburg) und der abschließenden Konferenz (GSSC, Universität zu Köln) reden wir über die Notwendigkeit kritischer Wissenschaft, Möglichkeiten politischer Positionierung und mutige Einmischungen in aktuelle Debatten. Wir setzen uns mit Hindernissen und politischer Abwehr gegen Kritik und den Grenzen des Sagbaren in den Geisteswissenschaften auseinander, und stellen exemplarisch vor, wie Akteur*innen mundtot gemacht werden und welche Stimmen dennoch hörbar bleiben. Es geht um Fragen der Überprüfung von Moral in Auseinandersetzungen mit Geschichte, um Positionen der kritischen Reflektion, aber auch um Fragen der Transformation gesellschaftlicher Ordnungen, Ethik und Verantwortung. Letztendlich geht es um die Freiheit der Wissenschaft, politisch Stellung zu beziehen und sich dort zu positionieren, wo Mitmenschlichkeit verteidigt werden muss.

Organisation:
Raija Kramer (Afrikanistik Universität Hamburg) und Anne Storch (Afrikanistik Universität zu Köln)

Ort:
Alter Senatssaal, Albertus-Magnus-Platz, 50931 Köln